Montagmorgen, 8.35 Uhr, auf dem U-Bahnhof Hallerstraße mit einer achten Klasse, die ihrem Biotop-Pflegeeinsatz im Wittmoor entgegenfiebert. Im Unterricht habe ich die gar nicht, begleite sie nur, weil ich sie vor einigen Tagen theoretisch darauf vorbereitet habe und weil ich immer wieder gerne dabei bin. An anderen Schulen hätte ich an diesem Morgen wahrscheinlich einen Anruf aus dem Sekretariat bekommen:
„Jo, Du musst mit der Klasse alleine ins Moor, der Klassenlehrer hat Rücken.“
Fertig!
Nicht so am WG.
Zum Glück sind die achten Klassen doppelt besetzt und zum Glück wirft die Klassenlehrerin, die morgens arglos im Büro-Outfit zur Schule kommt und sechs Stunden Unterricht geplant hat, sofort ihr ganzes Programm über den Haufen, um einzuspringen. „Ich bin überhaupt kein spontaner Typ!“ sagt sie später im Moor.
Die Stellvertretende Schulleitung, reichlich beschäftigt mit dem Corona-Handling und allerlei Krankmeldungen, baut „mal eben“ den Stundenplan um, damit die Klasse sicher begleitet werden kann.
Und dann wird im Lehrerzimmer herumgefragt, um die Klassenleitung einzukleiden: Outdoor-Klamotten müssen her, die am besten auch irgendwie passen sollten. Tatsächlich hat einer zuletzt sogar ein Paar Wanderstiefel! Suchen, anprobieren, schnell noch Aufgaben und Anweisungen für die Vertretungskollegen organisieren, alles in Windeseile, so dass sie rechtzeitig auf dem Bahnhof steht und entspannt die Klassenliste checkt! Ziemlich tolles Team!
Die Bahn bringt uns bis Ochsenzoll, ab da geht es problemlos und corona-safe weiter mit Gelenkbussen, die das Busunternehmen nach unserer Ankündigung bereitgestellt hat.
Im Wittmoor nehmen uns Frau Wichert und Herr Kloebe von der NABU-Gruppe Alstertal in Empfang. Herr Kloebe kümmert sich schon seit Ende der 70er Jahre in seiner Freizeit um die Pflege und Weiterentwicklung dieser einzigartigen Naturlandschaft. Dabei wollen wir mithelfen. Wie jedes Jahr seit 2012 sind wir zum „Entkusseln“ hier, zum Ausreißen kleiner Baumtriebe. Die würden aus der offenen Heidelandschaft im Laufe der Jahre einen Wald machen, in dem all die seltenen Arten, die jetzt noch hier leben, nicht mehr existieren können. Bäume würden zudem die Gesamtverdunstung erhöhen, so dass dem Moor noch mehr Wasser abgezogen und mit ihm auch all die darin lebenden Arten bedroht würden. Beide, Heide und Moore, gehören zu den stark gefährdeten Biotop-Typen Deutschlands, die in einer Roten Liste geführt werden. Um den Prozess der Verwaldung aufzuhalten, braucht man viele Hände – darum freuen sich die Naturschutzverbände darüber, dass mittlerweile überall in Hamburg Schulen bei dieser wichtigen Arbeit mithelfen.
In der vorangegangenen Woche waren schon die beiden anderen achten Klassen da und haben ganz viel geschafft. Auch heute legen sich alle richtig ins Zeug. Nach der Einweisung in den sicheren Gebrauch der martialisch anmutenden „Wiedehopfhacken“ dauert es nicht lange, bis die ersten Zweiergruppen sich von den kleinen Trieben, deretwegen wir vor allem hier sind, an immer größere Birken ranmachen und darum wetteifern wollen, wer denn die höchste aus dem Boden geholt hat. NABU-Begleiter und Lehrer handeln immer wieder Deals aus: „Na gut, ihr dürft euch diesen Baum vornehmen, aber danach holt ihr all das Gekussel da hinten raus, OK?“ Das funktioniert prima und macht hier sogar Sinn, weil mitten auf der Fläche einige Birken stehen, die im Laufe des nächsten Jahres ganz viele Samen produziert und auf der Heide verteilt hätten. Die sind am Ende ebenso weg wie fast alle kleinen Triebe – die Heide ist clean! Eine Superleistung und ich würde gerne an dieser Stelle mit der Beschreibung aufhören, weil es so ein rundum perfekter Tag für alle hätte sein können. War´s dann aber nicht.
Was wir gemeinsam ausgerissen hatten, musste zum Schluss von der Heidefläche in den Wald getragen werden.
Viele waren fleißig dabei, während eine größere Gruppe keine Lust mehr hatte. Als sie dann doch, nach vielen aufmunternden Worten, mitmachte, waren alle Bitten, auf den Boden zu schauen und sich im Naturschutzgebiet leise zu verhalten, vergessen. Es wurde herumgeschrien und beim Holztransport in den Wald wurden alle Pilze auf der Strecke zertreten. Schade, dass die tolle Leistung der ganzen Gruppe von einigen so in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Wir können das besser: Auf den gemischten Fotos der drei Klassen sieht man, wie viel Spaß alle zusammen bei der gemeinsamen Arbeit hatten – so viel, dass einige meinten, wir sollten das einmal pro Woche machen.
Nächstes Jahr sind wir wieder draußen. Zu einem hoffentlich perfekten Tag!