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Eine Rede für Joe Biden

Trotz der erschwerten Bedingungen haben es Sophia, Katharina und Emilia aus der S1 geschafft, am Wettbewerb „Students for Presidents“ der Frankfurter Allgemeinen teilzunehmen. Seit September verfolgten sie mit einem digitalen Abonnement die Nachrichten zur Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten und haben eine Rede verfasst, die der Sieger zur Amtseinführung halten könnte. Dazu haben sie sogar Kontakt zu unserer Partnerschule in Chicago aufgenommen und ein Interview geführt, um sich aus erster  Hand über die Stimmung in den USA zu informieren.

Auch wenn die inaugural speech heute nicht zu den Preisträgern im Wettbewerb zählt, zeigt sie doch, wie eingehend die Schülerinnen sich informiert haben und welche Perspektiven sie auf die amerikanische Gesellschaft entwickelt haben. Der heutige Tag wird zeigen, ob sich das ein oder andere Thema auch in der Rede Joe Bidens wiederfinden wird.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ich fühle mich geehrt, heute als Ihr neuer Präsident vor Ihnen zu stehen.

Ich bedanke mich bei allen, die uns auf dem steinigen Weg zu diesem Tag hin begleitet haben. Danke, dass Sie mir Ihre Stimme gegeben und somit das Vertrauen auferlegt haben, unser Land zu führen. Auch bei denjenigen, die nicht für mich gestimmt haben, möchte ich mich bedanken. Danke, dass Sie immer das Fenster zu einer anderen Perspektive offen halten und so Innovation ermöglichen.

Ich werde keinen von Ihnen enttäuschen.

Ich bin stolz und dankbar, mein Amt neben vielen so bedeutenden und inspirierenden amerikani- schen Staatsmännern und Staatsfrauen antreten zu können.
Heute schreiben wir in vielerlei Hinsicht Geschichte.
Mit diesem Tag hat Amerika unter anderem seine erste Vizepräsidentin, seinen ersten schwulen Außenminister und seinen ersten schwarzen Verteidigungsminister. Auch sonst haben wir ein ge- niales, vielseitiges und vor allem hochkompetentes Kabinett.

Und auch wenn ich mich freue, dies verkünden zu können, möchte ich sagen, dass wir eigentlich viel zu spät damit dran sind. Schon vor Jahren hätte dies keine nennenswerte Neuigkeit mehr sein sollen.
Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit.

Besonderer Dank gilt meiner lieben Mitstreiterin, Kamala, die in den letzten harten Monaten ge- zeigt hat, was wahrer Kämpfergeist bedeutet. Voller Pflichtbewusstsein und gutem Willen hat sie bewiesen, dass sie mehr als fähig ist, dieses Land mitzuführen. Auch für dich an meiner Seite bin ich dankbar.

Zu guter Letzt freue ich mich darauf, mit Ihnen gemeinsam unsere Demokratie gemäß den mo- dernen Problemen und ihren Lösungen neuzugestalten.

Vor uns liegt eine schwere Zeit. Die Aufgaben, die wir zu bewältigen haben, sind keine Leichten. Und der Ausgang der großen Fragen unserer Generation wird entscheiden, welchen Weg unsere einzigartige Nation einschlagen wird.

Wie Ihnen allen sicher klar ist, befinden wir uns inmitten eines Jahrhundertereignisses. Der Aus- bruch des Covid-19-Virus hat zahlreiche Menschenleben genommen und unsere Wirtschaft, die unsere Nation antreibt, aus dem Gleichgewicht geworfen.
Wir sind der Kontrolle dieses Virus immer näher.

Ich bedanke mich bei Ihnen, dass sie gemeinsam mit uns die letzten Monate durchgehalten ha- ben: dass Sie zuhause geblieben sind, dass Sie Masken getragen haben und dass Sie so verhin- dert haben, dass die Konsequenzen des Virus noch größere Ausmaße annehmen konnten.
Ich möchte heute auch an Sie appellieren, hoffnungsvoll zu sein. Für viele von Ihnen mag die Lage aussichtslos scheinen. Aber gemeinsam werden wir die Krise überstehen und gestärkt aus ihr hervorgehen.

Und seien Sie sich sicher; Wir sehen Sie.

Wir müssen vorerst aber weiterhin Existenzen schützen. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass nicht noch mehr Leute unter den Tücken dieses Virus leiden.

Danach ist es unsere Aufgabe, meine und Ihre, das wirtschaftliche Funktionieren unseres Staates wieder herzustellen.

Lassen Sie uns diese Aufgabe frohen Mutes annehmen. Lassen Sie uns an dieser Aufgabe wach- sen.

Die Krise hat die Mängel unseres Gesundheitssystems offengelegt. Zu viele Mitbürgerinnen und Mitbürger können es sich nicht leisten, adäquate gesundheitliche Versorgung zu finanzieren. Wie kann es sein, dass wir als freiheitlicher Demokratiestaat immer noch nicht in der Lage sind, unsere Bürger angemessen zu pflegen und zu schützen? Gesundheitspflege ist ein Grundrecht für alle. Deshalb ist es mir auch ein persönliches Anliegen, die ursprünglich von Obama initiierte Obama- care wiedereinzuführen. Wir waren nämlich schon weiter. Wir hatten schon für ein fair funktionie- rendes Gesundheitssystem gesorgt. Und wir können nicht weiter täglich so leichtfertig mit dem Leben unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger umgehen.

Außerdem werde ich dafür sorgen, dass die Pflegekräfte in den Krankenhäusern, die Helden des letzten Jahres, eine faire Bezahlung erlangen. Denn nichts anderes steht ihnen zu.
Lassen Sie uns zusammen wieder diejenigen ehren, die unser Land die letzten Wochen am Laufen hielten und ihr eigenes Leben dafür aufs Spiel setzten.

Lassen Sie uns zusammen wieder dafür sorgen, dass unser Staat ein Land der grenzenlosen Möglichkeiten wird und nicht eines, in welchem man Sorge hat, nicht über die Runden zu kom- men.

Wir, die ganze Welt und die gesamte Menschheit, befinden uns an einem entscheidenen Wende- punkt in der Klimafrage. Unsere Nation muss jetzt die Emissionen runterfahren und unseren C02- Fußabdruck reduzieren. Dafür ist es notwendig, dass wir auf die Wissenschaftler*innen hören. Die Forschenden haben uns gewarnt, sie haben uns Lösung gezeigt und es wurde tatenlos zugese- hen. Die Jugendlichen sind zurecht wütend. Wir müssen jetzt handeln.

Es ist notwendig, dass wir bereit sind, etwas an unserem eigenen Verhalten zu ändern, sofern dies für den Klimaschutz hilfreich ist. Und es ist notwendig, dass wir zunehmend auf erneuerbare En- ergien und nachhaltige Alternativen setzen.

Diese Notwendigkeit darf nicht bedeuten, dass irgendjemand von Ihnen seinen Arbeitsplatz ver- liert, und das kann und wird es auch nicht.
Wir sehen Sie. Und ihr Wohlergehen ist uns wichtig.
Wir wollen die Wirtschaft nicht zerstören. Wir wollen sie nur neu denken und wir wollen sie um- krempeln, um nichts anderes zutun als die bloße Existenz der Menschen auf unserem Planeten zu schützen. Die Zeit hierfür wird, wie sie wissen, immer knapper.

Haben Sie deshalb keine Angst vor Fortschritt hin zu einer grünen Wirtschaft. Haben Sie Vertrau- en, dass wir zahlreiche Arbeitsplätze schaffen werden, die unsere Wirtschaft in jedem Sinne nachhaltiger gestalten werden.
Darum bitte ich Sie.

Natürlich liegt diese Verantwortung nicht allein bei uns.
Wir müssen uns eingestehen, dass unser Land und unser Wohlstand auch von dem anderer Län- der abhängig ist. Wir müssen wieder Hand in Hand stehen mit langjährigen Verbündeten und ge- meinsam nach vorne blicken.

Es gibt vermehrt Stimmen aus dem In- und Ausland, die unsere Demokratie geschwächt sehen. Das ist sie nicht. Im Gegenteil hat sie in den letzten Monaten bewiesen, dass bei uns Gerechtig- keit und Freiheit immer siegen werden. Und das, meine Damen und Herren, ist etwas, worauf wir stolz sein sollten.

Wenn Sie wie ich, und dessen bin ich mir sicher, an das Credo unserer Gründungsväter, an Frei- heit und Glückseligkeit glauben, dann sind Sie von heute an mehr denn je gefragt, dies unter Be- weis zu stellen.
Eine Demokratie erhält ihr Leben durch das Volk. Unsere Demokratie erhält ihr Leben durch Sie. Sie mögen sich nun vielleicht fragen; Was bedeutet das für uns?

Eine freie Aussprache der eigenen Meinung ist genauso wichtig wie die Akzeptanz anderer Mei- nungen. Beides ist essentiell für eine Demokratie, denn es muss einen Austausch der Perspekti- ven geben.
Dennoch müssen wir aufhören, uns unsere Fehler gegenseitig vorzuhalten. Wir müssen aufhören, uns aus Trotz und gekränktem Stolz nicht gegenseitig anzuhören, und stattdessen eine gesunde, gemäßigte Debattenkultur wiedereinführen.

Wir sind keine Feinde. Wir sind alle Amerikaner.

Wir müssen lernen, einander gleichsam zu respektieren, unabhängig von Geschlecht, Ethnie oder sexueller Orientierung. Die Diskriminierungen, die in den letzten Monaten glücklicherweise große mediale Aufmerksamkeit bekamen, erschüttern mich noch immer bis ins Mark. Dass sie Realität sind, ist mir sehr bewusst, aber wir werden dies ändern.

Ein Staat, in dem Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe um ihr Leben fürchten müssen, hat nichts zu tun mit unseren amerikanischen Werten. Den Werten, die uns ausmachen. Den Werten, die 1776 von unseren Gründungsvätern auf der bloßen Basis einer Vision formuliert wurden. Den Wer- ten, die uns befähigten, uns von den abscheulichen und unmenschlichen Umständen der Sklave- rei zu lösen. Den Werten, die uns den Aufbruch in die Moderne ermöglichten und den Werten, die uns schließlich zu dem unabhängigen, wirtschaftlich starken Staat werden ließen, der wir heute sind.

Diese Ereignisse dürfen nicht in Vergessenheit geraten.
Denn wir können aus der Geschichte viel lernen. Sie zeigt uns, dass die Momente, in denen wir unschlagbar waren, dass dies die Momente sind, in denen wir zusammenhielten.
Denn wenn unser Volk, unser Staat, unsere Nation zusammenhält, sind wir genau das: unbesieg- bar.
Lassen Sie uns nicht zulassen, dass der Hass unseren Sinn für Zusammenhalt untergräbt. Lassen Sie uns den Hass nie größer werden lassen als die Liebe, sondern lassen Sie ihn uns stattdessen im Kern ersticken.
Lassen Sie uns stattdessen diesem Zusammenhalt eine neue Bedeutung geben.
Heute sage ich Ihnen, dass Zusammenhalt bedeutet, auf andere zu schauen, dass es bedeutet, für einen gemeinsamen und individuellen Wohlstand gleichwertig zu kämpfen.

Lassen Sie uns wieder alte Freundschaften pflegen, und lassen Sie uns neue eingehen.

Lassen Sie uns erinnern, was uns allen gemein ist, nämlich dass wir unserer Nation und uns als ihren Bürgern das Beste wollen. Lassen Sie uns hinter dieser Idee gemeinsam stehen und zu- sammen neue Herausforderungen meistern.

Unsere Nation kann nur so stark sein wie ihr schwächstes Glied.

Lassen Sie uns deshalb nicht fragen, was unser Land für uns tun kann, lassen Sie uns fragen, was wir für unser Land tun können.
Und ich garantiere Ihnen, dass wir merken werden, dass wir dadurch nun doch auch etwas für uns selbst taten.

All diese Herausforderungen sind zu meistern, sofern wir uns entscheiden, den Mut zur Verände- rung aufzubringen.
Und noch liegen all diese Entscheidungen vor uns. Noch haben wir die Wahl, ob wir uns von ih- nen abwenden oder uns ihnen aussetzen wollen. Noch ist alles möglich.

Unsere Demokratie ist nicht geschwächt. Im Gegenteil, sie ist stärker denn je. Und unsere besten Tage liegen nicht hinter uns, sie liegen vor uns.

Also lassen Sie uns diese Chance nutzen.

Lassen Sie uns mutig und zuversichtlich sein. Lassen Sie uns gemeinsam Geschichte schreiben!

Gott schütze Amerika! Danke.