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Schirachs „Terror“ 4x rezensiert

Die Auseinandersetzung mit dem Zentralabiturthema „Fallgeschichten- literarische Analysen des Verbrechens“ führte die S1-Deutsch-Kurse von Frau Hagelberg und Frau Adwiraah am 16. November 2016 ins Schauspielhaus.

Die Schülerinnen und Schüler waren begeistert!

Vier Rezensionen aus den Kursen von Frau Adwiraah und Frau Hagelberg drücken die Eigenart dieses Theaterabends eindrucksvoll aus:

Josephine: Das Theaterstück „Terror“, verfasst von Ferdinand von Schirach, uraufgeführt am 3. Oktober 2015 in Berlin, befasst sich mit der Verurteilung im Falle des Majors Lars Koch, welcher eine vollbesetzte Passagiermaschine abgeschossen hat, um zu verhindern, dass diese von einem Terroristen in ein ausverkauftes Fußballstadion gelenkt wird. Für diese gravierende Entscheidung muss er sich nun vor Gericht verantworten, da er sich eigenmächtig über das Grundgesetz hinwegsetzte. Die Meinungen über das Urteil sind stark geteilt.
Dieser Abend im Schauspielhaus ist eine interaktive Theatervorstellung, in welcher das Publikum selber entscheiden muss, ob Lars Koch für schuldig oder unschuldig gehalten wird. Somit übernimmt das Publikum eine entscheidende Mitverantwortung.
Zum vielleicht ersten Mal wird die eigentlich unantastbare Würde des Menschen hinterfragt. Dürfen Menschleben überhaupt, gleich in welcher Zahl, gegeneinander abgewogen werden? Ist Lars Koch der Held oder doch ein Mörder?
Es werden zwei Seiten beleuchtet. Man muss sich mehr oder weniger entscheiden, ob man nun moralisch utilitaristisch Stellung nimmt oder doch die Grundrechte bzw. Gesetze als höchste Instanz ansieht. Es entsteht eine starke Polarisierung.
Aber gäbe es in der Realität überhaupt einen solchen Fall, in welchem zwischen 164-fachen Mord oder Freispruch entschieden werden müsste? Wohl eher weniger.
Dem Publikum wird hier viel mehr das moralische Dilemma vergegenwärtigt. Die Zuschauer sollen konkret vor der Frage stehen, ob der Staat bzw. ab wann der Staat entscheiden kann, dass unschuldige Menschen sterben müssen, um andere zu retten. Es ist ein Gedankenexperiment, auf welches man sich zunächst einlassen muss und bei dem man vor allem erst am Ende ein endgültiges Urteil fällen darf, denn je mehr man mit der Situation vertraut wird und je mehr man sich in diese hineindenkt, desto größer wird der Zwiespalt zwischen den beiden Perspektiven und desto schwerer ist es, sich am Ende für schuldig oder unschuldig zu entscheiden.

Ariane: Das Theaterstück „Terror“, am 03. Oktober 2015 uraufgeführt, handelt von dem Gerichtsprozess des Majors Lars Koch. Angeklagt wird er des 164-fachen Mordes, als er ein in der Hand eines Terroristen entführtes Flugzeug kurz vor dem Absturz in ein mit 70.000 Menschen gefülltes Stadion abschoss. Die Argumente der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers häufen sich und lassen die Grenzen von Richtig und Falsch verschwimmen, bis eine Entscheidung getroffen werden muss. Und zwar von Ihnen. Sie sind die Schöffen, die Richter und Sie entscheiden über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten.
Die einzigartige Form dieses Mitmach-Theaters beansprucht Ihren Kopf nicht wie die üblichen modernen Theater. In diesem Theater geht es nicht um das Verstehen der Interpretation und Umsetzung des zuständigen Regisseurs über Hunderte von Ecken, wo es am Schluss bei einer negativen Reaktion heißt: „Das Publikum war noch nicht reif für diese Art Theater.“ Das Publikum dieses Theaters muss lediglich bereit sein, sich auf die Argumente des Prozesses einzulassen und sollte versuchen, so unvoreingenommen wie möglich abzustimmen, was, wohlbemerkt, eine Herausforderung ist.
Letzten Endes werden Sie mit Ihren eigenen Moral- und Gerechtigkeitsvorstellungen konfrontiert werden. Sie werden in eine Grauzone Ihres eigenen persönlichen Gerichts kommen, in der nicht zuletzt kritische bis unbeantwortbare Fragen aufkommen werden. Sollte Lars Koch nicht eigentlich gelobt werden für den Schutz von 70.000 Menschen? Oder sollte er wie ein Serienmörder hinter Gitter kommen für den Mord an 164 unschuldigen Menschen? Diese und ähnliche Fragen werden Sie erwarten, wenn Sie sich dafür entscheiden, dieses Theater auf sich wirken zu lassen.
Letzten Endes wird dieses Theaterstück Sie nach Hause begleiten, es wird Ihnen Stoff zum Nachdenken auf dem Weg zur Arbeit geben, Sie werden vielleicht mit Freunden oder der Familie über ähnliche Dinge nachdenken und schließlich werden Sie sich in Zukunft mit aller Wahrscheinlichkeit ein Urteil über Dinge bilden, die Ihre Grauzone in ihrem persönlichen Gericht schrumpfen lässt. 

Linda: Das Theaterstück ,,Terror’’ wurde am 3. Oktober 2015 uraufgeführt und von Ferdinand von Schirach, welcher Jurist ist, geschrieben. Die ca. zweistündige Inszenierung handelt von einer Gerichtsversammlung, welche aufgrund der Anklage von Lars Koch, eines deutschen Soldaten, der in der Luftkampfrotte tätig ist und des Mordes an ungefähr 180 Flugzeugpassagiere beschuldigt wird. Der 34-jährige Familienvater schoss das von Terroristen übernommene Lufthansa-Flugzeug ab, um einen Absturz in ein mit 70.000 Menschen gefülltes Fussballstadion zu vermeiden.
An der Verhandlung sind insgesamt sechs Schauspieler und das Publikum beteiligt: Die Richterin, eine Staatsanwältin, die Frau eines der verstorbenen Flugzeugpassagieren, ein Zeuge der Luftkampfrotte, welcher in Kontakt mit seinem Kollegen Lars Koch gestanden hatte, während er das Flugzeug abgeschossen hat, der Angeklagte Lars Koch und sein Verteidiger.
Das Publikum wird während des spannenden Theaterstücks quasi mit auf die Bühne gezogen und es vergeht keine Sekunde, in der man als Zuschauer nicht wie hypnotisiert auf das Geschehen auf der Bühne starrt. Nicht nur die Richterin, sondern auch alle Beteiligten an der Gerichtsverhandlung werden auf eine ganz besondere Probe gestellt. Man soll sich zwischen dem Gesetz und der Moral entscheiden. Auf den ersten Blick fällen viele bereits ihr Urteil dem Angeklagten gegenüber, ohne weiter auf den Inhalt des Geschehens einzugehen. Die Staatsanwältin spricht von den gesetzlichen Maßnahmen und stellt mehrere, unvorstellbare, aber dennoch reale Situationen in den direkten Vergleich mit dem Flugzeugabschuss. Diese veranlassen uns Zuschauer sehr zum Nachdenken und öffnen einem die Augen. Im Gegensatz zu diesem Standpunkt bezieht sich der Verteidiger des Angeklagten auf das vermeintlich „kleinere Übel“. Dieses ausschlaggebende Argument hat eine Meinungsänderung über die Verurteilung des Angeklagten in der Mehrheit des Publikums ausgelöst.

Bjarne: Das Theaterstück „Terror“, veröffentlicht im Jahr 2015 von Ferdinand von Schirach, handelt von dem Kampfjetpiloten Lars Koch, der gegen den erhaltenen Befehl (weil er es für richtig hielt) ein von Terroristen entführtes Flugzeug abschießt, um die 70.000 Menschen zu retten, die sich zur selben Zeit in der Allianz Arena befanden. Der Fall wird vor Gericht verhandelt. Am Ende der Verhandlung liegt es in den Händen der Zuschauer, ob Lars Koch freigesprochen oder verurteilt wird. Der Angeklagte handelt aus eigenem Beschluss, „weil er es für richtig hielt“ und war zu jedem Zeitpunkt vollkommen zurechnungsfähig. Er verweigerte den Befehl, das Flugzeug nicht abzuschießen und verstößt somit gegen die Verfassung. Er ist der Meinung, er müsse die 70.000 Menschen retten, auch wenn er die dafür die 164 Passagiere (die höchstwahrscheinlich sowieso beim Aufprall sterben würden) abschießen müsse. Er stellt somit die Menschen im Stadion über die Menschen im Flugzeug und wiegt Leben gegen Leben auf, was gegen unsere Verfassung verstößt. Sein Argument, man müsse das Flugzeug abschießen, um den Terroristen zu zeigen, dass wir nicht machtlos gegen sie sind, wenn sie Zivilisten als Waffe benutzen, ist berechtigt, jedoch macht er die Passagiere damit zu Objekten und nimmt ihnen somit ihre Menschenwürde. Auch wenn die Mehrheit der Menschen auf Freispruch plädieren, bin ich der Meinung, dass er schon schuldig ist. Lars Koch in 164 Fällen zum Mord zu verurteilen und somit lebenslänglich einzusperren ist meiner Meinung jedoch eine viel zu harte Strafe. Menschen kommen nicht ins Gefängnis um sie zu bestrafen, sondern damit die Menschen über ihre Taten nachdenken und sich bessern oder weil sie eine Gefahr für die Bevölkerung sind. Da die meisten Menschen genauso wie Lars Koch handeln würden und Lars Koch offensichtlich keine Gefahr für die Bevölkerung darstellt, würde ich ihn nicht zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilen. Ich bin der Meinung, Ausnahmefälle wie diese müssen über dem Gesetz stehen und können nicht anhand unseres heute gültigem Gesetzmodell entschieden werden.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir das Theaterstück „Terror“ sehr gut gefallen hat. Es war spannend, alle Schauspieler haben gut gespielt und ich finde es wichtig, dass man sich mit solchen Fällen beschäftigt und sich mit den Wertfragen des Menschen beschäftigt. Zusätzlich finde ich die Idee, das Publikum das Urteil fällen zu lassen, äußerst innovativ. Ich kann das Theaterstück „Terror“ vollkommen weiterempfehlen.