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Vom WG ans Ende der Welt – eine Schule mit sieben Schülern

Von einem Auslandsaufenthalt der ganz anderen Art berichtet hier Janne Pusch aus der Klasse 9c – viel Spaß beim Lesen! (Kb)

Bis zum letzten Sommer bin ich auf das Wilhelm-Gymnasium in die achte Klasse gegangen. Ich wollte gern ein Auslandsjahr machen, doch nicht wie viele andere Jugendliche nach England oder in die USA. Mich hat es schon immer in den Norden gezogen. Als ich noch ein kleines Kind war, war ich einmal in einem kleinen Dorf in Nord-Norwegen in den Ferien. Dieses Dorf ist mir all diese Jahre nicht aus dem Kopf gegangen und deshalb habe ich Kontakt zu der Schule in diesem Dorf aufgenommen. In dem Dorf waren alle sehr überrascht, dass ein Mädchen aus einer deutschen Großstadt freiwillig in ein kleines Fischerdorf mit 60 Einwohnern am Ende der Welt ziehen möchte. Obwohl sich dort alle sehr wunderten, konnten sie eine Familie finden, bei der ich jetzt wohnen darf.

Jetzt ist das Jahr schon fast vorüber und das, was ich hier erleben darf, ist unbeschreiblich. Es ist unglaublich, so mitten in der wilden Natur zu leben. Auf der einen Seite von meinem Haus sind hohe Berge, auf denen selbst im Sommer noch Schnee liegt und auf der anderen Seite ist das Meer und ein riesiger Sandstrand. Wenn ich aus dem Fenster sehe, kann ich Adler, Rentiere und Wale sehen. Das ist ein so großer Unterschied zu Hamburg.

Auch die Schule ist hier vollkommen anders. Am Anfang des Schuljahres waren wir nur vier Schüler, aber jetzt sind wir sieben Schüler und zwei Kindergartenkinder. Die Schule hier im Dorf geht nur von der ersten bis zur zehnten Klasse. Danach müssen die Schüler zum Festland aufs Internat gehen. Wir sind hier in zwei Lerngruppen eingeteilt: Die Schüler von der ersten bis zur vierten Klasse sind die eine Gruppe und die Schüler von der siebten bis zur zehnten Klasse sind die andere Gruppe. Dadurch, dass wir nur so wenige Schüler in einer Lerngruppe sind und unterschiedlich schwere Aufgaben bearbeiten, gehen die Lehrer viel individueller auf uns Schüler ein. Wir haben nur zwei Lehrer und wir haben ein ganz anderes Verhältnis zu ihnen, als in Hamburg. Wir nennen die Lehrer beim Vornamen und sie sind mehr wie „erwachsene Freunde“. Wir machen viel Quatsch mit ihnen und treffen uns auch häufig in der Freizeit. Hier ist es auch so, dass immer alle Schüler miteinander spielen. Dadurch, dass es so wenige Kinder hier gibt, ist die Schule mehr wie eine große Familie und da spielt das Alter keine Rolle. Wir sind auch häufig draußen in der Schulzeit und gehen Wandern, Skifahren oder Bootfahren. Eine weitere Besonderheit, die es wahrscheinlich nicht in vielen Schulen gibt ist, dass hier im Frühling alle Schüler ein eigenes Lamm bekommen. Die Mütter der Lämmer können sich aus verschieden Gründen nicht um ihre Lämmer kümmern und deshalb ziehen wir die Lämmer mit der Flasche auf. Das macht großen Spaß! Abgesehen davon, hat die Schule eine viel bessere technische Ausstattung. Alle Schüler haben hier ihren eigenen Schul-PC und ein Schul-iPad.

Trotzdem habe ich häufig das Gefühl, dass die Zeit hier einfach stehengeblieben ist. Die Fischer fahren immer noch jeden Tag mit ihren winzigen, bunten Booten hinaus und man ist auch immer sehr vom Wetter abhängig. Das Wetter ist viel extremer als in Hamburg. Im Sommer geht die Sonne nicht unter und es ist die ganze Nacht über hell. In dieser Zeit ist man häufig die ganze Nacht über draußen am Strand und man wird einfach nicht müde.

Doch dann kommt der Herbst und es gibt immer weniger Licht. Dann fangen die Polarlichter an, am Himmel einen magischen Tanz zu tanzen. Kein Foto dieser Welt kann zeigen, wie schön Polarlichter wirklich sind! Anfang Oktober folgt dann der Schnee und die „Dunkelzeit“. Die Dunkelzeit ist von Mitte November bis Mitte Februar. In dieser Zeit geht die Sonne einfach nicht auf und es ist den ganzen Tag dunkel. Gegen Neujahr kommen dann auch noch die Schneestürme. Dann kann man eigentlich nicht vor die Tür gehen und der Weg zur Schule ist echt gefährlich! Aber dann beginnt zum Glück der März. Im März geht die Sonne endlich wieder auf und es ist häufig tolles Wetter. Man kann jeden Tag Ski und Snowscooter fahren. Im Mai fängt der Schnee dann an zu schmelzen, das Gras beginnt grün zu werden und die Sonne fängt wieder an, die ganze Nacht zu scheinen. Jetzt ist wieder Sommer und ich freue mich schon sehr auf die Sommerferien, aber ich bin dankbar für jede Jahreszeit die ich hier erleben durfte! Jede Jahreszeit hat ihre Vor- und Nachteile und ich konnte noch nie zuvor so extremes und verschiedenes Wetter erleben.

Bald ist das geplante Jahr vorbei, doch das Leben hier hat mich so ergriffen, dass ich beschlossen habe, zu bleiben. Ich kann mir nach all dem, was ich hier erlebt habe, einfach nicht mehr vorstellen, nach Hamburg in mein altes Leben zurück zu kehren. Mir gefällt es so gut, in der wilden Natur des Nordens zu leben – dagegen hat das Wilhelm-Gymnasium leider keine Chance!

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